Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 17.04.2024

Ein Herz und zwei Seelen

507 Jahre gemeinsam auf dem Weg

Lange trug Therese Zuber-Jost den Wunsch in sich, Paare zu porträtieren, die bereits für eine halbe Ewigkeit ihr Leben teilen. Im Alter von 74 Jahren wagte die ehemalige Lehrerin den ersten Schritt. Daraus wuchs ein nächster wie ein weiterer und so erwachte ihr Herzensprojekt zum Leben. Entstanden ist ein Buch mit zehn unterschiedlich geprägten Geschichten auf insgesamt 278 Seiten. 

 

 

«Es war ein spannender Entstehungsprozess, von dem – ausser mein Mann Martin – nur die betroffenen Paare Kenntnis hatten, da ich nicht abschätzen konnte, wohin diese Expedition letztendlich führen und ob sie überhaupt gelingen würde», erzählt Therese Zuber im vertraulichen Gespräch. Liebevoll lächelt sie ihren Ehemann an, der neben ihr sitzt und sie bereits ein halbes Jahrhundert durchs Leben begleitet. «Er hat meine Vision von Anfang an geteilt und mich bedeutsam unterstützt. So wurde es zu unserem Gemeinschaftsprojekt.» Im 2022 durften die beiden ihre Goldene Hochzeit feiern – in der heutigen Zeit bald eine Rarität. «Oft löst unsere langjährige Ehe Erstaunen aus und wir werden gefragt, warum uns das gelingt, was anderen misslingt», erklärt die Buchautorin.


Für sie als Ehepaar sei ihre jahrzehntelange Bindung jedoch keine «Leistung», die es zu zeigen gilt. Deshalb wollte Therese Zuber den Essenzen auf den Grund gehen, die eine Beziehung lebendig und überlebensfähig halten.


Sie beschreibt ihre eigene Partnerschaft mit einer eindrucksvollen Metapher: «Wir haben Höhen und Tiefen durchlebt, Klippen umschifft, sind gestrandet und immer wieder zu neuen Ufern aufgebrochen. Die Energie, die Freude und der Mut dazu ist in den persönlichen Prozessen von uns beiden und aus der Gemeinsamkeit erstarkt.» Ihr Ehemann Martin Zuber ergänzt passend: «Umwege gehören dazu, können sogar bereichern, solange man den entscheidenden roten Faden nicht aus den Augen verliert».


 



Zehn einzigartige Geschichten


Weitere Antworten suchte Therese Zuber in Zusammenkunft mit zehn Ehepaaren in der Schweiz, wovon eines bereits wahrhaftige 70 Jahre gemeinsam unterwegs sein darf. Dabei sei ihr wichtig gewesen, offen für jede Art von Partnerschaft und kultureller Herkunft zu sein.


Während der zahlreichen Gespräche hat sich bestätigt: Ein Rezept für eine glückliche Beziehung gibt es nicht.


«Und trotzdem ist ein Muster zu erkennen», verrät die Textschöpferin: «Freud und Leid teilen, einen Schritt nach vorne ins Unbekannte wagen, gleichzeitig Schicksalsschläge und Herausforderungen gemeinsam meistern und den Alltag mit Humor angehen. Diese wertvollen Zutaten finden sich immer wieder in den Erzählungen der Paare.» Ausserdem gehe es um die richtige Prise Wertschätzung, denn genau in diesem Wort verberge sich auch das Wort «Schatz».


Dabei hätten die verschiedenen Ehepaare – obwohl sie unabhängig voneinander ihre Liebesodyssee erzählten – eine faszinierende Ausstrahlung geteilt: «Ein bunter Blumenstrauss aus sechs verschiedenen Kantonen.»


Doch wie kam es zu diesen zehn «wundersamen» Begegnungen? In ihrem Buch gibt Therese Zuber vor jeder Chronik preis, wie es zum persönlichen Kennenlernen kam. Strahlend meint sie: «Es ist ein Geschenk, dass ich so viele fantastische Menschen kennenlernen durfte und sie mir einen solch vertrauensvollen Einblick in ihr Leben gewährten. Sie flogen mir zu wie ein Wunder.»


Ein zusätzliches Phänomen und für die passionierte Verfasserin ein entscheidendes Zeichen, mit ihrem «Oeuvre» auf dem richtigen Weg zu sein: Nach Abschluss des Projektes bemerkten vier der zehn Ehepaare beim Lesen der verschiedenen Geschichten, dass sie sich aus früheren Zeiten von gemeinsamen Erlebnissen her kennen. Wohl mehr als nur ein Zufall...


«Die Paare haben es sehr geschätzt, dass ihr Gegenüber einfach einmal zugehört hat. Es begann wortwörtlich zu sprudeln und so entstand eine Art Erzählcafé in Buchform, das alle Gesellschaftsschichten anspricht», berichtet die Lyrikerin. Die Publikation ermöglicht unter anderem Einblicke in die Bergbauernwelt, das Nobelquartier und die Industriestadt, begleitet ein tibetisches Paar sowie die «Two Tornados», welche im Thurgau kein unbeschriebenes Blatt sind.


 



Strahlende Ermutigung


Das Schöpfungswerk ist als Ermutigung gedacht, denn wir alle sind einzigartig, jede Lebensgeschichte von Bedeutung – unabhängig davon wie lange eine Beziehung dauert und in welcher Form sie gelebt wird. Die berührenden Erzählungen können ein Wegweiser sein, die eigene Partnerschaft nach vielen Jahren nochmals erleben zu dürfen. Sogar die zehn Paare hätten sich während ihrer eigenen Schilderungen selbst neu betrachtet.


Die Literatin wünscht sich, mit ihrer Veröffentlichung die Kostbarkeit langjähriger Gemeinschaften zu offenbaren und Mut zu schenken, auch in herausfordernden Zeiten nicht aufzugeben. Martin Zuber erläutert dazu: «Manchmal gilt es ‘durchzuhalten’, bis man wieder sehen kann, dass es sich lohnt, dranzubleiben. Denn packt man den Koffer und öffnet ihn an einem neuen Ort mit jemand anderem, so liegen die gleichen Probleme versteckt zwischen den Reiseutensilien.»


Flüchten sei «einfacher» getan als sich einer gesunden Konfrontation zu stellen. Ebenso gälte es, den Unterschied zwischen Sein und Schein zu durchbrechen.


Oder wie es Autor und Therapeut Hans Jellouschek zusammenfasst: «Eine funktionale Beziehung ist eine Folge kleiner Scheidungen, die man überwindet und nach denen man einander stets neu suchen und zusammenfinden muss.»


Das Ehepaar ist sich einig; nach überwundenen Hürden gibt es bislang unbekannte Dimensionen zu entdecken. Wenn der gemeinsame Weg nicht mehr harmoniert, so könnte anstelle eines «Warum?» oder eines «Wegen was?» stattdessen gefragt werden: «Wozu?».


Therese Zuber sieht ihr Opus jedoch nicht als Ratgeber oder «Rezept-Lektüre». «Mein Buch ist sozusagen ein Schuhlöffel. Eine Unterstützung, die Freude sowie eine Gemeinschaftsbildung mit gegenseitigem Austausch und Zuspruch schenken darf», sagt sie lächelnd.


 



Und die Umsetzung? 


Die Schriftstellerin betont, dass auch in der Liebe Ausnahmen vorkommen: «Es gibt Verbindungen, die nicht mehr aufrechterhalten werden können. Gerade dann, wenn der Preis dafür zu hoch oder zu gefährlich und das Verbiegen füreinander nicht mehr vertretbar ist». Niemand solle sich dabei minderwertig fühlen, wenn die gemeinsame Reise scheitert. Das Leben selbst sei bereits komplex genug. So sei die Ehe, die Partnerschaft, ein weiteres Geheimnis für sich, glaubt Therese Zuber. «Komplex» sollte dabei nicht mit «kompliziert» verwechselt werden: «Manchmal ist es ganz einfach, aber nicht immer leicht.»


Was mögen, ja lieben wir aneinander? Was prägt uns? Verbindet uns? Auch nach vielen Jahren ist es bereichernd, in die Tiefe zu gehen, nachzufragen, zu reflektieren und sich im Sturm des Alltags Zeit zu nehmen, um neu verstehen zu lernen. «Es ist wichtig, das Reden nicht zu verlernen. Oft glauben wir, dass wir ja genau wissen, was im Kopf unseres Gegenstücks vonstattengeht. Doch stimmt dies wirklich?», bedenkt Martin Zuber.


Eine weitere Herausforderung sieht die Schriftdichterin in der richtigen Balance zwischen Nähe und Distanz. «Es heisst im Volksmund ‘Ein Herz und eine Seele’, doch meiner Ansicht nach sind es ‘ein Herz und zwei Seelen’. Jede Hälfte sollte ihre eigene Insel besitzen, verbunden durch eine Brücke, auf welcher man sich stets begegnen kann.»


Die Autorin erweitert die Thematik mit der Illustration eines Baumes: «Er steht in jeder Jahreszeit einfach da; ob er vom Wind geschüttelt wird, den lebenserhaltenden Regen erhält oder die Sonne brennt; im Frühling spriesst er wieder.»


Zeit für eine neue Chance? Der Anfang könnte ein gemeinsames Hobby sein. Ein bewusster, regelmässiger und fix ausgemachter Abend zu zweit - das, was man in der Verliebtheitsphase einmal Date nannte. Ein Abenteuer Seite an Seite – wieso nicht?


Dabei können bereits kleine Gesten im Alltag eine grosse Wirkung ausrichten, indem wir gegenseitig spüren, dass wir einander nicht (mehr) für selbstverständlich nehmen und das Beste aus beiden erzielen. Ein Geschenk, das in unermesslichem Wert neu erstrahlen kann...


507 Jahre gemeinsam auf dem Weg – Zehn Geschichten aus dem Leben für das Leben.


Sarah Utzinger


Sie möchten Ihre besondere Liebesgeschichte mit uns teilen? 


Wir freuen uns auf Ihre Erzählungen: s.utzinger@frauenfelderwoche.ch


 


 


Die Frauenfelder Woche verlost ein Exemplar des Buches «507 Jahre verheiratet» mit persönlicher Widmung der Autorin Therese Zuber-Jost.


Rufen Sie am Donnerstag, den 18. April zwischen 10:00 und 10:15 Uhr unter folgender Nummer an: 079 757 69 90.


Das Werk ist, auch als E-Book, erhältlich unter: www.buchshop.bod.ch  oder in der Buchhandlung unter Angabe folgender ISBN-Nummer: 9783755753865.